Kommt der kostenlose ÖPNV zum Schutz des Klimas?

Fahrradwegetest Wiesbaden Hauptbahnhof

Klimaschutz ist ein ständiges Thema der deutschen Politik. Immer wieder flackert die Diskussion um einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf. Sollten die Menschen in großen Mengen von Auto auf Bus und Bahn umsteigen, hätte dies gravierende Folgen für die Carwash-Branche. Sowohl in Deutschland als auch außerhalb des Landes gibt es bereits Testmodelle.

Mit der Kanzlerkandidatur der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock nimmt die Zahl der Diskussionen um politische Maßnahmen zum Klimaschutz nun stetig wieder zu. Ein Weg zur Reduktion der Schadstoffbelastung besonders in Innenstädten ist die öfters diskutierte Einführung eines kostenlosen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Doch ist dieses Modell wirklich so erfolgreich im Kampf gegen die Umweltschäden, dass die Autowaschbranche eine solche Einführung akut fürchten muss? CarwashPro.de hat sich aktuelle Modelle eines kostenlosen ÖPNV angesehen und vergleichen.

Kostenloser ÖPNV in Monheim seit April 2020

Die nordrhein-westfälische Stadt Monheim, mittig gelegen zwischen Köln und Düsseldorf, hat am 1. April 2020 den kostenlosen ÖPNV für seine Bürger eingeführt. Mittlerweile haben sich etwa die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger für den notwendigen „Monheim Pass“ freischalten lassen. Dieser fungiert als Freiticket für die Benutzung des ÖPNV und ist nur für Bewohner der Stadt erhältlich. Etwa ein Jahr danach fällt das Zwischenfazit allerdings wenig überzeugend aus. Das kostenlose Angebot kostet die Stadt jährlich rund 3,5 Millionen Euro. Auch wenn das Streckennetz und die Busse modern sind, zeigen sich aktuell nicht übermäßig viele Bewohner von diesem Angebot überzeugt. Die anhaltende Corona-Lage und die gebotenen Abstands- und Hygieneregeln erschweren einen verlässlichen Blick auf den Erfolg des Modells. Der Bürgermeister Daniel Zimmermann äußerte sich Medienvertretern gegenüber noch unentschlossen, denn es könne ja auch sein, dass „plötzlich viel mehr Fußgänger oder Fahrradfahrer im Bus sitzen„. Ob sich dieser kostenlose ÖPNV langfristig auf die Reduktion der Autonutzung auswirken wird, bleibt also abzuwarten.

In Monheim am Rhein ist der ÖPNV seit April 2020 kostenlos. Ein Erfolgsmodell ist es derzeit noch nicht. (Quelle: Stadtverwaltung Monheim)

Erfolgsprojekt in Estland

In der estländischen Hauptstadt Tallinn wurde der ÖPNV nach einer Volksbefragung Anfang des Jahres 2013 kostenlos. Mit der Volksentscheidung wurde das Verkehrsnetz umgestaltet, sodass Busse und Bahnen an Ampelanlagen bevorzugt wurden und mehr Fahrstreifen mit dem ÖPNV zur Verfügung standen. Trotz der Investitionen ist das Modell für Tallinn ein Erfolg. Durch die Einschränkung, dass man Bürger in Tallinn sein müsse, um den ÖPNV kostenlos nutzen zu können, zogen allein im ersten Jahr 11.000 Menschen in die Stadt locken. Da diese dort Steuern zahlen, wird der kostenlose ÖPNV so finanziert. Ein positiver Nebeneffekt entsteht für die Verkehrsbetriebe: Das attraktive Verkehrsnetz in Tallinn begeistert auch Touristen und Externe, die für die Nutzung des ÖPNV wie bisher bezahlen. Bereits drei Jahre nach der Einführung des kostenlosen ÖPNV für die Bürger von Tallinn verzeichnete die Tallinner Transportgesellschaft einen Gewinn von 13,7 Millionen Euro.

Wenig Auswirkungen auf dem motorisierten Individualverkehr

In Tallinn hat die Umstellung zu einem positiven Effekt geführt. Eines der ursprünglichen Ziele der Stadt konnte tatsächlich erreicht werden. 2013 konnten sich viele Menschen die Nutzung des ÖPNV aus finanziellen Gründen nicht leisten. Da die Stadt diesen aber zu mehr als siebzig Prozent finanzierte, wurde es als soziale Ungerechtigkeit bewertet. So wollte man den ÖPNV mehr Menschen mit geringem Einkommen zugänglich machen. Dieses Ziel konnte nachweislich erreicht werden. Nach Aussagen des Verkehrswissenschaftlers Oded Cats, der das Tallinner Modell untersuchte, führte das kostenlose Angebot tatsächlich zu einer Verbesserung der sozialen Lage. Schließlich zeige sich eine deutliche soziale Durchmischung in den Bussen und Bahnen.

Doch einen deutlichen Umstieg vom Auto in Bus und Bahn konnte man nicht erkennen. Die Gründe sind vielfältig, doch es zeigte sich, dass die Menschen nicht wegen der teuren Tickets Auto fuhren. Für die Menschen überwog trotzdem der Komfort und die Schnelligkeit mit dem Auto. Während man für eine bestimmte Strecke mit Bus und Bahn etwa eine Stunde Fahrzeit benötige, brauche dieselbe Strecke mit dem Auto nur zehn Minuten, bestätige eine Tallinner Bürgerin gegenüber Medienvertretern. Somit sie das Tallinner Modell des kostenlosen ÖPNV zwar ein Erfolgsmodell, führe aber nicht direkt zu einer Reduktion der Umweltbelastungen.

Im estländischen Tallinn ist der kostenlose ÖPNV ein Erfolg, wenn auch nicht mit dem vorrangigen Ziel des Umweltschutzes. (Quelle: Pixabay)

In Deutschland wohl kein Erfolgsmodell

Mit Blick auf die genannten Beispiele zeigt sich, dass ein kostenloser ÖPNV in Deutschland wohl zu keiner deutlichen Reduktion der Umweltbelastungen führen würde. Einerseits sei es finanziell wenig attraktiv, andererseits ist das deutsche Streckennetz in weiten Teilen nicht annähernd so modern wie in Tallinn, um zahlende Fahrgäste anzulocken. So bleibt wohl in Deutschland auch weiterhin das Auto, das favorisierte Fortbewegungsmittel der Menschen.

Autor: Sandra Schäfer

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Kommt der kostenlose ÖPNV zum Schutz des Klimas?

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Klimaschutz ist ein ständiges Thema der deutschen Politik. Immer wieder flackert die Diskussion um einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf. Sollten die Menschen in großen Mengen von Auto auf Bus und Bahn umsteigen, hätte dies gravierende Folgen für die Carwash-Branche. Sowohl in Deutschland als auch außerhalb des Landes gibt es bereits Testmodelle.

Mit der Kanzlerkandidatur der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock nimmt die Zahl der Diskussionen um politische Maßnahmen zum Klimaschutz nun stetig wieder zu. Ein Weg zur Reduktion der Schadstoffbelastung besonders in Innenstädten ist die öfters diskutierte Einführung eines kostenlosen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Doch ist dieses Modell wirklich so erfolgreich im Kampf gegen die Umweltschäden, dass die Autowaschbranche eine solche Einführung akut fürchten muss? CarwashPro.de hat sich aktuelle Modelle eines kostenlosen ÖPNV angesehen und vergleichen.

Kostenloser ÖPNV in Monheim seit April 2020

Die nordrhein-westfälische Stadt Monheim, mittig gelegen zwischen Köln und Düsseldorf, hat am 1. April 2020 den kostenlosen ÖPNV für seine Bürger eingeführt. Mittlerweile haben sich etwa die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger für den notwendigen „Monheim Pass“ freischalten lassen. Dieser fungiert als Freiticket für die Benutzung des ÖPNV und ist nur für Bewohner der Stadt erhältlich. Etwa ein Jahr danach fällt das Zwischenfazit allerdings wenig überzeugend aus. Das kostenlose Angebot kostet die Stadt jährlich rund 3,5 Millionen Euro. Auch wenn das Streckennetz und die Busse modern sind, zeigen sich aktuell nicht übermäßig viele Bewohner von diesem Angebot überzeugt. Die anhaltende Corona-Lage und die gebotenen Abstands- und Hygieneregeln erschweren einen verlässlichen Blick auf den Erfolg des Modells. Der Bürgermeister Daniel Zimmermann äußerte sich Medienvertretern gegenüber noch unentschlossen, denn es könne ja auch sein, dass „plötzlich viel mehr Fußgänger oder Fahrradfahrer im Bus sitzen„. Ob sich dieser kostenlose ÖPNV langfristig auf die Reduktion der Autonutzung auswirken wird, bleibt also abzuwarten.

In Monheim am Rhein ist der ÖPNV seit April 2020 kostenlos. Ein Erfolgsmodell ist es derzeit noch nicht. (Quelle: Stadtverwaltung Monheim)

Erfolgsprojekt in Estland

In der estländischen Hauptstadt Tallinn wurde der ÖPNV nach einer Volksbefragung Anfang des Jahres 2013 kostenlos. Mit der Volksentscheidung wurde das Verkehrsnetz umgestaltet, sodass Busse und Bahnen an Ampelanlagen bevorzugt wurden und mehr Fahrstreifen mit dem ÖPNV zur Verfügung standen. Trotz der Investitionen ist das Modell für Tallinn ein Erfolg. Durch die Einschränkung, dass man Bürger in Tallinn sein müsse, um den ÖPNV kostenlos nutzen zu können, zogen allein im ersten Jahr 11.000 Menschen in die Stadt locken. Da diese dort Steuern zahlen, wird der kostenlose ÖPNV so finanziert. Ein positiver Nebeneffekt entsteht für die Verkehrsbetriebe: Das attraktive Verkehrsnetz in Tallinn begeistert auch Touristen und Externe, die für die Nutzung des ÖPNV wie bisher bezahlen. Bereits drei Jahre nach der Einführung des kostenlosen ÖPNV für die Bürger von Tallinn verzeichnete die Tallinner Transportgesellschaft einen Gewinn von 13,7 Millionen Euro.

Wenig Auswirkungen auf dem motorisierten Individualverkehr

In Tallinn hat die Umstellung zu einem positiven Effekt geführt. Eines der ursprünglichen Ziele der Stadt konnte tatsächlich erreicht werden. 2013 konnten sich viele Menschen die Nutzung des ÖPNV aus finanziellen Gründen nicht leisten. Da die Stadt diesen aber zu mehr als siebzig Prozent finanzierte, wurde es als soziale Ungerechtigkeit bewertet. So wollte man den ÖPNV mehr Menschen mit geringem Einkommen zugänglich machen. Dieses Ziel konnte nachweislich erreicht werden. Nach Aussagen des Verkehrswissenschaftlers Oded Cats, der das Tallinner Modell untersuchte, führte das kostenlose Angebot tatsächlich zu einer Verbesserung der sozialen Lage. Schließlich zeige sich eine deutliche soziale Durchmischung in den Bussen und Bahnen.

Doch einen deutlichen Umstieg vom Auto in Bus und Bahn konnte man nicht erkennen. Die Gründe sind vielfältig, doch es zeigte sich, dass die Menschen nicht wegen der teuren Tickets Auto fuhren. Für die Menschen überwog trotzdem der Komfort und die Schnelligkeit mit dem Auto. Während man für eine bestimmte Strecke mit Bus und Bahn etwa eine Stunde Fahrzeit benötige, brauche dieselbe Strecke mit dem Auto nur zehn Minuten, bestätige eine Tallinner Bürgerin gegenüber Medienvertretern. Somit sie das Tallinner Modell des kostenlosen ÖPNV zwar ein Erfolgsmodell, führe aber nicht direkt zu einer Reduktion der Umweltbelastungen.

Im estländischen Tallinn ist der kostenlose ÖPNV ein Erfolg, wenn auch nicht mit dem vorrangigen Ziel des Umweltschutzes. (Quelle: Pixabay)

In Deutschland wohl kein Erfolgsmodell

Mit Blick auf die genannten Beispiele zeigt sich, dass ein kostenloser ÖPNV in Deutschland wohl zu keiner deutlichen Reduktion der Umweltbelastungen führen würde. Einerseits sei es finanziell wenig attraktiv, andererseits ist das deutsche Streckennetz in weiten Teilen nicht annähernd so modern wie in Tallinn, um zahlende Fahrgäste anzulocken. So bleibt wohl in Deutschland auch weiterhin das Auto, das favorisierte Fortbewegungsmittel der Menschen.

Autor: Sandra Schäfer

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